Nachdem die Entscheidung gefallen war, ging es schnell an die Planung. Was uns, abgesehen von ein paar Wochen, in denen Obi alt genug werden musste um Hadi! und seine Geschwister zu verlassen, trennte: Rund 900 Kilometer oder 9 Stunden Fahrt. Für Österreich gab es zu diesem Zeitpunkt bereits eine Corona-bedingte Reisewarnung. Wäre ein Flug nach Hannover vielleicht trotzdem möglich? Einen PCR Test könnte ich machen. Gäbe es Ende November überhaupt Flüge? Und bliebe Obi samt Transportbox sicher unter 8 kg? Mit höherem Gewicht dürfte er nämlich nicht mit in die Kabine – und ein Flug im Frachtraum war sowohl für Anja als auch für mich ausgeschlossen.
Dürfte Obi überhaupt schon Ende November reisen? Er wäre da zirka 10 Wochen alt und hätte noch keine gültige Tollwutimpfung. Anja und ich wollten jeweils Erkundigungen einholen und uns dann wieder austauschen. Irgendwas hatten wir im Hinterkopf, dass Welpen in Begleitung der Mutter oder mit einer Tollwutunbedenklichkeitsbescheinigung innerhalb der EU grenzüberschreitend reisen dürfen.
Da wir beide schnell dieselben Auskünfte erhielten, (Einreise nach Österreich ist auch ohne gültige Tollwutimpfung möglich, wenn der Welpe von seiner Mutter begleitet wird und diese eine gültige Tollwutimpfung hat), fassten wir das Wochenende von 27. bis 29.11.2020 ins Auge. Anja hat sich dazu bereit erklärt, die ganze Strecke auf sich zu nehmen, damit wir nicht aus unserem österreichischen Risikogebiet einreisen und drei bis vier Bundesländer, von denen jedes seine eigenen Ein- und Durchreisebestimmungen hat, durchqueren müssen. Ich weiß nicht, zum wievielten Mal ich zu diesem Zeitpunkt sprachlos war vor lauter Dankbarkeit. Ich freute mich nun nicht mehr „nur“ auf Obi, sondern auch auf ein Wochenende mit einer Freundin! Gedanklich begann ich bereits, Essenspläne zu schmieden: Was könnte ich vorkochen, um am besagten Wochenende möglichst wenig Zeit in der Küche und möglichst viel Zeit mit Anja zu haben? Wenn sie die ganzen Strapazen schon auf sich nimmt, wollte ich sie mindestens einmal täglich mit einem 3-Gänge-Menü verwöhnen. Während ich schon überlegte, wen ich alles um geheime Tipps bitten könnte, woran Anja eine besondere Freude hätte, genoss ich Bilder und Videos, die mir aus dem Elfenhain geschickt wurden.
Nicht nur Anja hat mich regelmäßig mit Bildern von unserem Schatz versorgt. Auch Simone, die ich von unseren Chebo-Treffen kenne und die Obis Bruder Oleg bei sich aufnehmen durfte, hat mich immer an ihren Besuchen teilhaben lassen. So war es mir möglich, trotz der weiten Entfernung, doch immer ein bisschen mit dabei zu sein. Ein Chebo ist nicht nur ein Chebo. Er bringt eine große Familie mit. Eine Gemeinschaft, Freundschaft. Und unendliches Glück.
Wenig später warf Anja die Frage in den Raum, ob ich wisse, mit wie vielen Hunden sie denn reisen dürfe. Da sie Ohana behält, wäre sie Ende November nämlich mit 6 Hunden unterwegs, wenn sie zu uns kommt. Ein kurzes Innehalten. Ein kurzer Schock. War da nicht etwas mit nur 5 Hunden, die gemeinsam reisen dürfen? 5 Hunde pro Auto? Oder 5 Hunde je Mensch? Gilt das auch für Welpen?
Die nächste Google- Recherche nahm ihren Lauf. Leider mit nicht sehr zufrieden- stellendem Ergebnis. Reisen mit mehr als 5 Hunden ist nämlich nur gestattet, wenn man sich nachweislich auf einem Weg zu einer Ausstellung oder Veranstaltung befindet. Unter normalen Umständen ließe sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch etwas finden, das an dem angedachten Wochenende stattfindet. Nur, dass wir keine normalen Umstände hatten. Wir befanden uns in einem Lockdown light. Es fanden keine Veranstaltungen statt. Nirgends. Aber noch wollte ich nicht aufgeben. Ich wollte wissen, ob die „5 Hunde Regel“ tatsächlich auch für Welpen gilt, die mit ihrer Mutter reisen. Da ich dazu aber im Worldwide Web nicht eine einzige, brauchbare Angabe fand, begab ich mich in ein schlaues Forum: „Rechtsfragen rund ums Tier“.
Dort habe ich kurz unsere Situation geschildert und um Auskunft samt Quellenangabe (Verordnung, Gesetzestext samt Paragrafen) gebeten, da ich keinesfalls Probleme für Anja riskieren wollte. Und bevor meine eigentliche Frage, ob man mit 6 Hunden reisen dürfte (4 Erwachsene, einer davon die Mutter zweier Welpen, die mit dabei sind), wurde ich dankenswerter Weise darauf hingewiesen, dass das gar keine Rolle spielt, weil Anja Obi zwar zu uns bringen dürfte, mit Ohana aber nicht zurück nach Deutschland darf. Die Ausnahmen für Welpen ohne gültige Tollwutimpfung gelten nämlich länderspezifisch. Österreich lässt die Einreise unter bestimmten Voraussetzungen zu. Deutschland hingegen hat diesem Abkommen nicht zugestimmt. Im Falle einer Grenzkontrolle bei Anjas Rückreise, müsste Ohana bis zum Ende der 15. Lebenswoche in Quarantäne eines Veterinäramts. Selbstredend, dass unser Plan „Anja kommt zu uns“ damit begraben war.
Was also tun? Hoffen, dass die Zahl der Covid19-Infektionen wieder so weit sinken, dass Österreich für Deutschland nicht mehr als Risikogebiet gilt und Lukas und ich wieder einreisen dürfen, ohne in Gefahr einer Absonderung zu laufen. Wohl nicht. Die Zahlen gingen leider kontinuierlich in die Höhe. Ich habe die Einreisebestimmungen für Bayern durchforstet. Mit negativem PCR sollten wir eine Quarantäne umgehen können.
Auf dieser Basis wurde dann Plan B geschmiedet: Wir treffen uns in Grenznähe, irgendwo bei Passau. Schlafen dort eine Nacht und nehmen Obi dann mit über die Grenze. Anja wollte ihre Tierärztin um die dafür erforderliche „Tollwutunbedenklichkeitsbescheinigung“ bitten, ich mich um eine Pension oder ein Hotel kümmern. Beides verlief nicht ganz so, wie wir uns das erhofft hatten. Viele der von mir gefundenen Ferienhäuser hatten Ende November Urlaubssperre oder einwöchige Mindestaufenthalte. 3 Erwachsene mit gesamt 8 Hunden unterzubringen, gestaltete sich als nicht ganz einfach.
Parallel dazu hat Anja von ihrer Tierärztin erfahren, dass sie keine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen darf, da dies nur vom Veterinäramt genehmigte Tierärzte dürfen. Und als wäre das noch nicht genug, hat das zuständige Veterinäramt Anja mitgeteilt, dass solche Bescheinigungen gar nicht ausgestellt werden, weil Deutschland keine entsprechenden Abkommen mit anderen EU-Staaten getroffen hat. Zum Glück wusste ich von Anja, dass ihrerseits Obi auch bis zur 15. Woche bei ihr bleiben könnte, sollten wir keine Möglichkeit finden, ihn früher legal nach Österreich zu holen. Dennoch, diese teils schwierigen Umstände waren manchmal ganz schön aufreibend…
Es gibt aber diese Tollwutunbedenklichkeitsbescheinigung, mit der man nach Österreich einreisen darf. Man findet sogar ein Standard-Formular dafür im Internet. Aber wer soll dieses Formular ausfüllen, wenn der Tierarzt des Züchters es nicht darf; das zuständige Amt die Ausstellung verweigert? Also wieder einmal ab in meine schlaue Gruppe. Ich habe verschiedene Antworten bekommen. Keine jedoch mit Angabe einer Gesetzesgrundlage. Und während ich mich an die für mich plausibelste Antwort gehalten habe und begann, ein Mail an die in Österreich zuständige Behörde zu tippen, erhielt ich endlich eine freudige Nachricht: Wir könnten eine Ferienwohnung in der Nähe von Passau bekommen!
Also einmal durch- und aufgeatmet. Allerdings haben Anja und ich täglich mit wachsender Besorgnis die Covid-Zahlen beobachtet. Sowohl in Österreich als auch in Deutschland sah es gar nicht gut aus. Machte es wirklich Sinn, sich da in einem Hotel zu treffen? Schneller, als uns lieb war, wurde uns die Entscheidung abgenommen: Deutschland sprach das Verbot für private bzw. touristische Nächtigungen im gesamten Bundesgebiet aus. Also war auch unser Ersatzplan dahin.
In dem ganzen Chaos zwischen Reisebestimmungen und Covid, hat Anja bei Obi einen Nabelbruch festgestellt. Und mich fairerweise gefragt, ob Obi trotzdem für uns in Frage kommt, da wir ursprünglich einen Zuchtrüden wollten, er mit dem Nabelbruch jedoch für die Zucht ausscheidet. Ich denke, sie kannte meine Antwort schon, bevor sie die Frage überhaupt gestellt hat. Natürlich lautete meine Antwort „Ja!“. Der kleine Bär hatte sich schon so sehr in mein Herz geschlichen, dass alles andere keine Rolle mehr spielte.
In Österreich ist aufgrund der Verantwortlichkeit für „Seuchenbekämpfung“, worunter auch die Tollwut fällt, das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz für Auskünfte rund um das Reisen mit noch nicht gegen Tollwut geimpfte Tieren zuständig. Da nicht absehbar war, wann wir hier die Antwort bekämen, haben wir weiter – rückwirkend betrachtet, irrwitzige – Pläne für eine erlaubte Obi-Übergabe geschmiedet. Wir treffen uns in Grenznähe auf deutschem Boden. Lukas wartet mit Anjas Hunden in unserem Auto, während Anja und ich mit Obi und Hadi! mit Anjas Auto auf die österreichische Seite fahren, wo ich wiederum aussteige und mit Obi warte, während Anja zu Lukas zurückfährt. Ihre Hunde wieder in Empfang nimmt und Lukas zu mir zurückschickt, damit wir mit Obi die Heimreise antreten können…
Ob es soweit kam, wollt ihr wissen? Nur noch sieben Mal schlafen. 😉 Versprochen! Dann erfahrt ihr, wie die Geschichte weitergeht. Habt noch einen feinen, zweiten Advent!
Fotos: „3 im Kisterl“: Simone Stender; Oberon vom Elfenhain: Anja Frantzen